Nach Jahren der Recherche habe ich mich getraut: ich habe den Stoff für mein neues Kleid mit Krapp gefärbt – wie die Wikinger früher. Also fast… Gartenschläuche hatten die noch keine. Feuerzeug und Anzünder auch nicht. Aber ansonsten wie früher, ganz ohne Simplicol!
Seit fast 10 Jahren fahre ich gewandet auf Mittelalter-Feste. Am Anfang ganz unauthentisch mit Polyster-Samt-Korsage, dann in selbstgenähter frühmittelalterlicher Gewandung, und seit nun ca. 3 Jahren als Wikingerfrau.
Seit wir „offizielle“ Wikinger-Darsteller sind, beschäftige ich mich auch damit, was die früher wirklich anhatten, wie Stoffe gefärbt und verarbeitet wurden und welche Werkzeuge und Hilfsmittel die damals hatten. Im Gegensatz zu Hoch- und Spätmittelalter ist aus dieser Zeit recht wenig dokumentiert, deshalb ist auch immer eine große Portion Interpretation und Mutmaßung dabei.
Als ich zum Thema Wikinger-Kleidung gedanklich dabei angekommen war, dass ich Schafe im Garten halten müsste, um authentisch an Wolle zu kommen, habe ich mich gestoppt – und beschlossen, den Wollstoff schon fertig zu kaufen und erst beim Schritt des Färbens zu beginnen. Mit Pflanzen, die damals der gemeine Wikinger verfügbar hatte, mit Feuer und Kessel.
Nach monatelanger Recherche, Suche nach einem richtig großen (Kupfer-)kessel und einigem investiertem Geld (gesamt waren es für Stoff, Beize, Farbstoff, Dreibein, Kupferkessel locker über 200 Euro) ging es also im November los. Kupferkessel, weil Kupfer – zusätzlich zum Farbstoff – die Farben noch rötlicher/wärmer macht. Macht also Sinn bei Krappfärbung, damit das orange noch leuchtender wird.
Die ZUTATEN:
- 10 m Wollstoff in hellem beige = ca. 3 kg Stoff
- 7 m Baumwoll-Leinenstoff (65% BW, 35% Leinen) in weiß – von stoffe.de
- 550 g Alaun zum Beizen (15% des Stoff-Trockengewichts) – aus der lokalen Apotheke
- 350 g Krapp zum Färben (soll ein kräftiges orange werden) – aus der lokalen Apotheke
- Feuerschale und ausreichend Feuerholz
- Stand-Dreibein
- Kupferkessel mit 70 l Fassungsvermögen
1. STOFF BEIZEN
Zeitaufwand: ca. 3 Stunden, plus später noch Stoff aus der Beize heben
Der Plan:
– Feuer machen
– Wasser erwärmen
– 1 Stunde erhitzen
13:00 – 13:15 Es geht los: Feuer machen, und warten, bis es richtig gut brennt
13:15 – 13:45 Dreibein in die Mitte stellen. Die ursprüngliche Idee eines 2,50 m hohen Dreibeins habe ich verworfen wegen des zu erwartenden Gewichts mit Kessel, 70 l Wasser und nassem Stoff – da wären meine extra im Wald gesuchten Äste vermutlich zusammengekracht…
Wasser mit Wasserschlauch einfüllen > wird trotz kühlem Herbstwetter sofort(!) lauwarm! Faszinierend! Nach ca 30 min heiß > Alaun auflösen, Stoff anfeuchten und in den Kupferkessel rein (ins noch warme Wasser – so klappt das anscheinend, obwohl Wolle generell keine hohen Temperaturen vertägt).
Immer wieder umrühren.
14:00 Das Wasser hat „Betriebstemperatur“ erreicht > 1 Std köcheln, immer wieder Holz nachlegen und umrühren.


14:15 Es steigen jetzt wie in der Anleitung beschrieben kleine Bläschen auf > Feuer am Laufen halten, immer so viel Holz, damit es leicht köchelt. Ich komme mir ein bisschen so vor wie eine Hexe, die einen Zaubertrank braut… 🙂
15:00 Ich lege nichts mehr nach, damit das Feuer kleiner wird und das Wasser auskühlen kann. Die Kinder zündeln mit kleinen Ästen und spielen „Feuerkampf“.
15:15 Perfekte Glut. Das Wasser blubbert noch. Fast schade, jetzt nichts zu haben, was man über dem Feuer kochen oder braten kann – habe ich leider nicht daran gedacht. In der Küche finde ich ein paar Kartoffeln, die in in Alufolie wickle und in die Glut werfe. Jetzt nur noch warten, bis das Feuer aus ist und das Feuer vorerst alleine bleiben kann. Der Kessel mit Stoff und Wasser ist zu schwer, um ihn vom Feuer zu heben oder den Stoff (alleine) aus dem fast kochenden Wasser zu heben. Also werde ich ihn einfach direkt im Topf auskühlen lassen, und gegen Abend dann einen Deckel drauflegen.
Abends, als das Wasser etwas ausgekühlt ist, hebe ich den Stoff mit zwei Händen aus dem Wasser. Gar nicht so einfach… sehr schwer und man sollte den Kessel mit dem Wasser ja auch möglichst nicht umwerfen. Ginge wahrscheinlich leichter zu zweit… aber klappt auch alleine.
Den Kessel mit der Beize im Garten ausleeren. Ohne Stoff klappt das sogar.
Den gebeizten, noch nassen Wollstoff habe ich in einer alten Sitzbadewanne gelagert, mit altem Plastikschild drauf, damit kein Licht an den Stoff kommt.
2. STOFF FÄRBEN
Zeitaufwand:
Krapp einweichen (ca. 1-3 Tage vor dem Färbeprozess)
4,5 Stunden für den Färbeprozess, plus später Stoff aus dem Färbebad heben
Der Plan:
– Krapp 3 Tage einweichen
– Feuer machen
– gebeizten Stoff ausspülen
– Wasser und Stoff 1 Stunde erwärmen (< 70°)
– gefärbten Stoff ausspülen

Gemahlener Krapp sollte mind. 24 Stunden einweichen, geschnittener Krapp 3 Tage. So wäre auch der Plan gewesen, aber leider hat dann das Wetter am folgenden Wochenende nicht mitgespielt, um zu färben.
Also blieb der Krapp in der Küche eingeweicht, was allerdings nur bedingt eine gute Idee war. Nach 5 Tagen begann er zu schimmeln. Ich hab’s einfach ignoriert, und 1x pro Tag umgerührt, so war der Schimmel zumindest nicht sichtbar.

Krapp riecht auch nicht so angenehm, wenn er weicht. Ich habe die Schüssel deshalb mit einem Serviertablett abgedeckt, das ging gut.
Nach 6 Einweichtagen hat es dann geklappt, und der Färbeprozess konnte – 10 Tage nach dem Beizen – starten.
14:00 Start Färbeprozess. Das Feuer brennt heute schwer. Es ist November und es hat nur 6°. Der Holzdeckel auf der Feuerschale hat den Regen der letzten Tage nicht abgehalten, die Asche ist patschnass und matschig. Ich habe sie deshalb ausgeleert – oder besser: ausgekratzt – bevor ich das neue Feuer gemacht habe, aber irgendwie war alles nass und kalt. Das Feuer will nicht recht in Gang kommen.
14:45 Das Feuer brennt. Endlich!
Dreibein ins Feuer stellen, Kessel drauf und 70 Liter Wasser mit dem völlig unauthentischen Gartenschlauch einfüllen.
Aber: Zeitverlust! Ich Depp habe vergessen, dass ich die Beize vor dem Färben noch aus dem Stoff waschen muss. Also hole ich das jetzt nach. Es ist kalt. Das Wasser aus dem Gartenschlauch ist kalt. Meine Hände sind kalt. Ich frage mich, warum ich nicht im Sommer gefärbt habe. Ich spüle den Stoff 5x durch, immer noch ist das Wasser leicht milchig. Eine mühsame Arbeit, vor allem bei diesen Temperaturen.
Der Garten gleich einer Sumpflandschaft – zusätzlich zum reichlichen Regen der letzten Tage kippe ich unendlich viel Auswaschwasser dazu. Wasserfeste Winterstiefel sind eine gute Wahl.
15:15 Krapp abseien. Das Einweichwasser kommt direkt in den Färbekessel, die Krapp-Brocken binde ich in zwei saubere Stoffwindeln ein. Und ab damit ins Färbewasser.
Ich bin froh, dass ich diese Arbeit drinnen machen kann, und meine Finger wieder auftauen.

15:30 Färben. Das ist die chillige Arbeit. Bedeutet: hin und wieder Holz nachlegen (ganz wenig!), damit die Wassertemperatur warm bleibt, aber nicht über 70° steigt. Andernfalls wird der Farbton braun statt orange. Ich kontrolliere das, indem ich immer wieder mal ins Wasser greife. Soll schön heiß sein, aber die Finger sollte man noch kurz reinhalten können ohne sich zu verbrennen. Hin und wieder umrühren, damit der Stoff gleichmäßig Farbe bekommt.
Eigentlich sollte der Färbeprozess nach 1 Stunde abgeschlossen sein, aber ich finde die Farbe noch zu wenig intensiv. Also lasse ich den Stoff einfach noch länger im Färbebad. Und heute habe ich auch an Würstl gedacht, die wir über dem Feuer braten. Gleich viel besser, finden die Jungs…
18:45 Ich hole den Wollstoff – diesmal zusammen mit der Nachbarin – aus der Farbe und lege ihn wieder in die riesige Sitzbadewannenschüssel.
Nun kommt in einem zweiten Zug der Baumwoll-Leinenstoff ins Wasser. Den kann man mit Naturfarben eigentlich nicht gut färben, da die Farbe anscheinend nicht besonders gut angenommen wird, aber ich versuche es trotzdem. In diesem Fall ohne vorbeizen, weil das nur bei tierischen Fasern nötig ist, damit sich die Fasern öffnen und die Farbe aufgenommen werden kann. Aber auch diesen Stoff habe ich vorgewaschen, damit ev. hinderliche Rückstände vor dem Färben raus sind.
Und dann ab ins Haus, um die Kinder ins Bett zu bringen.
19:45 Die Kinder schlafen. Ich wasche den Wollstoff aus. Es ist schon dunkel und ich habe keine Lust mehr auf kalt. Also mache ich das direkt in der Sitzbadewanne in der Dusche. 3x auswaschen. Drinnen ist es warm – aber das Auswaschen von solch großen Mengen Stoff ist trotzdem sehr mühsam und anstrengend. Ich beschließe, den Stoff in die Waschmaschine zu stopfen und mit Wollprogramm, aber ohne Waschmittel zu waschen.

Ich bin froh, draußen eine lange Wäscheleine zu haben – ansonsten wüsste ich nicht, wo ich solche Mengen Stoff zum trocknen aufhängen sollte.
Der zweite Stoff bleibt über Nacht im Färbebad, in der Hoffnung, dass er doch noch etwas Farbe annimmt.
Nächster Tag,
13:45 Baumwoll-Leinen-Stoff aus dem Färbebad holen und 3x mit der Hand auswaschen. Dann ab in die Waschmaschine. Wieder ohne Waschmittel, einfach nur durchwaschen.

Die Tücher, in denen ich den Krapp eingebunden hatte, haben ein magisches dunkelpink, mit Batikring an der Stelle, wo sie zugebunden waren. Ich bin ganz hin und weg. Ich behalte sie als Halstücher.

Der Wollstoff hat eine wunderschöne rostorange Färbung erhalten. Nach dem heißen Beizbad ist er natürlich verfilzt, beim Hantieren mit dem Stoff fliegen die Fusseln davon. Deshalb am besten in einem Ort zum Trocknen aufhängen, wo das egal ist. Er fühlt sich auch noch ziemlich „sperrig“ und nicht weich und kuschelig an – eventuell wasche ich ihn nochmal mit Wollwaschmittel und Weichspüler, und hoffe, dass sich das legt. Ich bin da sehr empfindlich und würde das Genähte dann nicht gerne anziehen wollen… und im schlimmsten Fall sogar unangenehm juckenden Ausschlag bekommen. Na ich hoffe, ich bekomme ihn weicher, ansonsten kann ich mir das mit der Tunika abschminken…
Die Färbung am Wollstoff ist relativ gleichmäßig geworden, am BW-Leinen Stoff ziemlich fleckig, was für das Unterkleid jedoch nicht so schlimm ist. Diesen Stoff habe ich ja im zweiten Zug gemacht – und war definitiv nachlässiger beim Umrühren, weil ich paralell die Kinder schlafen gelegt habe. Also kann ich jetzt nicht sagen, ob es am Material, am zweiten Zug oder am fehlenden regelmäßigen Bewegen des Stoffes im Farbbad gelegen hat… der Baumwoll-Leinenstoff hat eine zarte altrosa Färbung bekommen.
Faszinierend, welch unterschiedliche Farben da rausgekommen sind. Das ist wirklich der spannendste Teil des Färbens mit Naturfarben. Alle drei Farben sind schön, obwohl völlig unterschiedlich.
Der Krapp kommt auf den Kompost, den Kessel mit dem Wasser kippe ich später aus, wenn jemand zweiter Zeit hast. Außen ist der Kessel natürlich voller Ruß vom Feuer, da sollte man entweder „Arbeitskleidung“ anhaben – oder zu zweit arbeiten, damit man nicht dranstoßt.
Alles wegräumen und mich am Ergebnis freuen.
Alles in Allem hat es Spaß gemacht. Aber ich muss zugeben: es ist ein immenser Aufwand – sowohl zeitlich als auch finanziell. Und jetzt habe ich erst den gefärbten Stoff… für’s Nähen muss ich sicher nochmal 3-4 Stunden rechnen (ganz unauthentisch mit der Maschine), und für’s Besticken sicher 40-100 Stunden.
Aber vorerst habe ich genug, ich mache jetzt erstmal Winterpause – und überlege im Frühjahr, ob ich zeitliche Kapazitäten für die nächsten Schritte habe.
Leider gibt es die RUMS Linkparty nicht mehr – aber mit Freuden habe ich festgestellt, dass es einen Nachfolger gibt: www.naehfrosch.de – hurra!
Die Farben schaun richtig toll aus.
Und im November draussen den Stoff noch rauswaschen zu müssen, das stell ich mich super kalt vor. Brrh. Dein Durchhalten da hat sich richtig gelohnt.
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